Montag, 30. März 2015

Superwoman!



Es gibt sie diese Momente im Leben, die man gerne, kaum sind sie passiert, mit der Löschtaste eliminieren möchte. Wer kennt sie nicht? Da es aber keine Löschfunktion gibt, kann man sie nur mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstverarschung versuchen zu verarbeiten und aus ihnen lernen.
Heute möchte ich Euch teilhaben lassen, an meinem peinlichsten Moment in meinem Leben.
Es begab sich vor ungefähr 15 Jahren in einem Comicbuchladen in Frankfurt, es war einer dieser Arbeitstage, an denen sich kaum ein Kunde in den Laden verirrt und man gerade als einziger die Stellung hält, weil die anderen Kollegen krank oder im Urlaub sind. Ich brütete über einer kniffligen Bestellung und goss mir den dritten Kaffee aus der Thermoskanne in meinen Lieblingsbecher. Da betrat ein Pärchen den Laden und murmelte einen kaugummikauenden Gruß in meine Richtung. Amerikanische Touristen! Ich fragte, ob ich behilflich sein könnte und bekam tatsächlich ein „Ja, bitte“ zurück geworfen.
Folgender Dialog passierte natürlich in englischer Sprache, der Einfachheit halber gebe ich ihn übersetzt wieder.
Kunde: Ich bin auf der Suche nach dem Supermancomic  xykrwblllbl.
Verkäuferin (wuäh ausgerechnet Superman): Puh, äh… also … keine Ahnung. Ich glaube, den haben wir nicht hier.
Kunde (enttäuscht)
Verkäuferin(deutet in eine Richtung): Sehen sie doch mal in der Heftchenkiste nach.
Kunde (kramt ein wenig herum): es ist eher ein Buch, kein Heft
Verkäuferin (ja mönsch, nerv jetzt ned rum): Hm… leider, echt, ich weiß es nicht.
Kunde (blickt an mir vorbei ins Regal hinter mir, das mit den teuren Luxusausgaben): Da steht es  doch.
Verkäuferin: Ah… super! Entschuldigung, ich lese nur Batman, die Superman-Ausgaben gehen ein wenig an mir vorbei. Soll ich es gleich einpacken?
Kunde: Nein danke, ich bin der Zeichner. Auf Wiedersehen.
Verkäuferin: Garglgnarfblblblblblbl … könnten sie’s signieren? (flüsterte sie fast weinend hinter der geschlossenen Glastür dem davon eilenden Künstler aus den Staaten hinterher)
Da der Künstler anschließend seine Signierstunde im Konkurrenzbuchladen zwei Straßen weiter absolvierte, dauerte es auch keine 5 Minuten bis es alle comicrelevanten Menschen in Frankfurt wussten, was für eine Nulpe ich bin. Die nächsten Monate waren etwas unangenehm, wann immer ich auf der Einkaufsstraße Besorgungen erledigte oder mit der U-Bahn fuhr, gab es ein paar pickelgesichtige Nerds, die mit den Fingern auf mich zeigten, schallend lachten und „Loser“ wisperten.
Was ich daraus gelernt habe? Batman ist einfach viel geiler als Superman!

Dienstag, 24. März 2015

Und da waren dann noch all die Verrückten in meinem Leben



Ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, aber mit meinen  knapp 50 Lebensjahren habe ich so allerhand Irre kennen gelernt, wahrscheinlich auch teilweise deswegen, weil ich in speziellen Läden gearbeitet habe, in denen man vorwiegend „Freaks“ antrifft – Sammler, Nerds, Außenseiter. Aber diese meine ich gar nicht, denn die gehörten zu meinem normalen Alltag Sie waren allesamt auch sehr liebenswert und haben mein Leben für lange Zeit bereichert. Eines meiner ersten Erlebnisse im Verkauf, lange vor Harry Potter und Twilight Trilogie, als Rollenspiele dem Großteil der Menschen absolut unbekannt waren: Ich stand hinter dem Tresen und bediente eine Großmutter, die ihrer Enkeltochter ein „Mensch ärgere Dich nicht“ kaufte. Neben mir standen mein Kollege  mit einem Kunden, die beide eingefleischte Rollenspieler waren und lieferten sich ungefähr folgenden Dialog:
„Was hast Du in der Bibliothek dann gemacht?“
„Ich überwältigte den Typen mit der Axt und schlug ihm  mit meinem Breitschwert den Arm ab, damit ich an das Elixier gelangen konnte. Vorher rief ich noch mein Pegasus, damit ich schnell fliehen konnte, bevor die Horde Orks mich einholen konnte.“
Oma plus Enkeltochter standen da und wussten eigentlich gar nicht, warum sie hier waren.
Als ich zum ersten Mal eine Folge „The Big Bang Theorie“ gesehen hatte, verstand ich erst gar nicht, warum das lustig sein sollte – das war doch das normale Leben! Viele Jahre dachte ich, es gäbe gar keine anderen Gesprächsthemen als Comichelden, Inhalte von Serienklassikern und Rollenspielpunktestände.

Aber immer kreuzten auch Menschen meinen Alltag, die irgendwo noch spezieller als die anderen waren.

Da war der eine höchst unterhaltsame Stammkunde, der genau wusste wann die großen Comicverlage ihre Neuheiten liefern und wie lange wir dafür brauchen, um diese auszupacken und im Neuheitenregal zu verstauen. Exakt dann, wenn wir das letzte Album aus dem Karton ins Regal gestellt hatten, stand er in der Tür und strahlte über beide Ohren, um dann mindestens drei Stunden jeden einzelnen Band vorsichtig aus dem Regal zu holen, von allen Seiten zu begutachten und das optimale Exemplar für seine Sammlung vorsichtig auf den Ladentisch zu legen. Er sammelte viele Serien, war also kein armer Mensch – trotz meiner guten Mitarbeiterkonditionen hätte ich mir diese Menge an Serien niemals leisten können. Bitter war halt nur, wenn er an den Tagen kam, an denen der unsensibelste und schmuddeligste Kollege Dienst hatte und seine so liebevoll ausgesuchten Superexemplare herzlos in eine Tüte pfefferte… ich habe in meinem Leben niemals davor und danach so ein blutleeres Gesicht gesehen, wie an jenem Tag. Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben und nun hatte er zusätzlich noch einen Faktor mit einzubeziehen beim Einkauf… die Nichtanwesenheit dieses einen Mitarbeiters. 

Dann gab es  diesen Nichtkunden, der jeden Dienstag um exakt 10:45 Uhr den Laden betrat und eine komplette Runde drehte, durch alle Räume vorbei an allen Regalen und alle Waren in Augenhöhe antippte. Er lächelte freundlich beim Reinkommen und grüßte knapp 10 Minuten später beim Wiederverlassen unserer Räumlichkeiten. Genau jener unsensible Mitarbeiter der vorangegangenen Geschichte war es, der ihn eines Tages darauf ansprach: „Entschuldigung, aber was machen sie da eigentlich?“  Der „Antipper“ schrak zusammen, starrte ihn an und verließ fluchtartig den Laden. Erst Wochen später traute er sich wieder seine gewohnte Runde bei uns zu drehen – und wir haben ihn nie wieder nach seinen Absichten gefragt.

Eines Tages fiel mir eine Frau meines Alters auf (damals Anfang dreißig), die sehr oft im Laden war und sich für ein Comicgenre interessierte, das auch ich sehr mag. Wir kamen schnell in ein nettes und langes Gespräch und jedes Mal, wenn sie in unserem Laden war, wurde auch unser Gespräch länger und es entwickelte sich bald eine Art Freundschaft – man traf sich auch privat. Und sie und ihre Mutter waren oft zu Gast bei uns.  Ihr Leben war kein Einfaches und ihre Geschichten rangen mir Mitleid ab, aber irgendwann wurden ihre Erzählungen immer skurriler, eine Angewohnheit brachte ihre Mutter fast an den Rand eines Herzinfarktes – sie joggte nachts alleine durch den Wald, und das im Einzugsbereich Frankfurts. Ich konnte die Ängste der Mutter durchaus nachvollziehen und stand gedanklich voll und ganz hinter ihr. Die Argumentation die Ängste zu entkräften ließen allerdings mein Kopfkino auf Hochtouren arbeiten. Völlig verständnislos schürzte sie die Lippen, zog ihre Augenbrauen hoch und tönte: „Mama, ich habe mich mit dem Polizeikommissar unterhalten und er hat bestätigt, er hatte sich mit dem ortsbekannten Vergewaltiger, der immer in unserer Kneipe ums Eck‘ gastiert, unterhalten, der hat bestätigt dass ich ihm schon aufgefallen sei, aber die Art wie ich durch die Gegen jogge, wäre ich kein Opfer.“  Ich schwöre, ich bin ein großer Kenner ironischer Aussprüche und Gedankengänge: in ihrer Aussage war kein Fünkchen Satire. Es war zu 100% absolut ehrlich gemeint… da stehen also der Dorfvergewaltiger gerade mal wieder auf Freigang und der Dorfpolizist innig vereint in der Dorfkneipe am Tresen bei einem Kurzen und unterhalten sich: „Sach mal Kalle du kennst doch die A., die immer durch den Wald joggt?“ „Ah, klar, die Kleine, die hat eine Art zu laufen, die würd einer wie ich nie anfassen.“ „Na dann – Prost, Kalle!“ Und der Dorfkneipier fragt: „Na ihr zwei, trinkt ihr noch einen?“ Beide wie aus einem Munde: „Na sischer doch, immer her mit dem Stoff.“

Der sehr schmal gebaute dauerhüstelnde Hochwasserhosenträger, der einmal die Woche in den Spieleladen kam, um sich drei Spiele anzusehen. Komplexe Strategiespiele mit Regelwerken dick wie Tolstoi Bücher. Er stand sehr lange da, steifbeinig wie ein orthodoxer Jude vor der Klagemauer nach vorne und hinten wippend und dabei nervös die Finger der rechten Hand miteinander  reibend und knetend und immer wieder exaltiert hüstelnd. Nach dem Studium der drei Regelwerke kaufte er das erste Spiel das er sich ansah. Die Woche darauf, dieselbe Prozedur mit zwei der Spiele der letzten Woche und einem dritten neuen Spiel, diesmal kaufte er das zweite Spiel der Vorwoche, das nun an die erste Stelle gerückt war… und dies wiederholte sich Woche für Woche.

Und dann war da noch der Koch Anfang der 80er Jahre, in einer frequentierten Wiener Studentenkneipe, der in sich einen verkappten unverstandenen Künstler sah und auf der Suche nach dem perfekten belegten Brot war. Wenn es nicht seinem Kunstempfinden entsprach wurde es auf den Boden/Kühlschrank geklatscht und von neuem erstellt. Der absolute Kassenschlager war eine Portion Linsen mit Knödel und nach der (gefühlten) zehnten bestellten Portion war sein Maß an Geduld überreizt und er schrie durch das Lokal: „Wer noch eine Portion Linsen bestellt, dem hau ich meine Axt ins Kreuz!“

Es gab da da auch eine männliche Aushilfe im Spieleladen, ein 19 jähriger im ersten Jura – Studiensemester, dem Ausdrücke wie „gar köstlich“ über die Lippen kamen, wie bei heutigen Jugendlichen„voll krass Alder“. Am kleinen Finger trug er einen fetten Siegelring und um den Hals täglich ein unflottes Tuch, sauber geknotet und in das korrekt sitzende Hemd eingefügt. Ein überzeugter Monarchist, der in Schnappatmung verfiel als der junge Habsburg sich eines Tages in unseren Laden verirrte und nach einem aktuellen Nintendospiel fragte. Es war das erste Mal in meinem Leben, als ich dachte es wäre jetzt gut Riechsalz in der Nähe zu haben.

Bemerkenswert war der eine Kollege, den wir liebevoll „Katastrowski“ nannten: ausgestattet mit einer Körpergröße, die nicht nennenswert über einer Grube lag, hatte er das Unglück gepachtet. Beim Fahrradfahren in eine Straßenbahnschiene zu gelangen und sich dabei fett auf die Fresse legen, gehörte noch mit zu den harmloseren Dingen. Auch als er bei einer Geschäftsreise nach Wien mit den Koffern bei einer großen Ampel auf „grün“ wartete und ihm dabei bei helllichtem Tage beide Koffer gestohlen wurden, rührte ihn kaum noch wirklich.
Unvergessen allerdings die Sache mit dem Blitz. Eines Gewittertages verirrte sich ein Blitz in sein offenes Wohnungsfenster und zerstörte alle Elektrogeräte, die sich darin befanden. Nicht gerade mit Reichtum gesegnet, versuchte er in den nächsten Wochen auf diversen Flohmärkten alles zu ersetzen, nur um relativ rasch festzustellen, dass der Blitz sehr wohl zweimal in die selbe Stelle einschlägt – ich habe keine Ahnung, ob er seine Geräte erneut nachkaufte.
Auch nicht schlecht war seine Schilderung des unvergesslichen romantischen Silvesterabends, den er nach langem Singledasein endlich mal wieder zusammen mit einer Frau verbrachte. Um Mitternacht das obligatorische Sektgläschen, wahrscheinlich mitten im siebten Himmel, warf er übermütig eine kleine Feuerwerksrakete aus dem Fenster, die dann mit einem hässlichen Geräusch auf dem Auto seiner Herzensdame zerbarst und einen nicht gerade kleinen Sachschaden hinterließ. Es ist anzunehmen, dass dies damals auch das rasche Ende der Liebe bedeutete.
Aber endgültig in die Halle der ewigen Pechvögel gelangte er, als er von der Kriminalpolizei gesucht wurde. Er kam nach Hause und seine Vermieterin überreichte ihm ein Kärtchen der Polizei, er wäre gesucht worden und solle sich sofort melden. Das tat er dann auch, wahrscheinlich mit extremem Herzklopfen, weil er an seine Familie dachte, der vielleicht etwas zugestoßen war. Kaum auf dem Revier angelangt hatte er auch schon Handschellen an und ab ging’s zum Verhör. Es dauerte beinahe einen Tag, bis der Irrtum aufgeklärt war: er hatte das Pech, nicht nur das gleiche Auto wie ein gesuchter Bankräuber zu haben, sondern ihm auch noch ähnlich zu sehen… zumindest laut Zeugenaussage.  Ein handfestes Alibi für diesen Zeitraum gehabt zu haben, war wohl das erste Mal in seinem Leben, in dem ihm das Glück hold war.
Keine Ahnung was er heute macht – irgendwie fehlen mir seine illustren Alltagsgeschichten.

An dieser Stelle möchte ich auch dem ehemaligen Chef eines großen Verlages ein Denkmal setzen, der, wann immer es stressige Situationen gab, für Stunden auf die Toilette verschwand und in Panik ausbrach, weil seine Worddatei für immer weg war, wenn er sie aus Versehen minimierte und diese in der Taskleiste verschwand, die für ihn ein unergründliches Phänomen darstellte. Wie gut, dass man für solche Situationen immer einen Angestellten aus seinem Büro holen konnte, der das Ding aus der Taskleiste holte.

Mittlerweile erinnere ich mich auch gerne an jenen Tag, an dem ich still in einer Ecke des Spieleladens vor mich hin putzte und mein Kollege Daten in den Computer eintippte. Es war ein sehr ruhiger Tag und keine Kunden vorhanden. Da ging die Eingangstür auf und ich sah aus meinem „Versteck“ einen etwas verwirrt dreinblickenden Menschen auf meinen Kollegen zugehen. Er blieb vor ihm stehen, starrte ihn unverwandt an und reagierte nur verzögert auf seinen Gruß. Er grüßte nicht zurück, griff stattdessen in seine Jackentasche und holte eine Pistole heraus. Ihr glaubt gar nicht wie lange Sekunden sein können, lang vergessen geglaubte Anekdoten seines noch kurzen Lebens ziehen an einem vorbei,  man denkt an Menschen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat und fragt sich,  ob man seinem Partner heute Morgen noch gesagt hat, dass man ihn liebt. So erging es wohl meinem Kollegen, ich überlegte bloß, wie ich mich aus meiner Ecke heraus in die Freiheit flüchten könnte, ohne erschossen zu werden. Nach einer schrecklangen Weile meinte der Freak: „Haben sie für diese Knallpistole Ersatzknaller?“
Wer denkt, dass einem sowas ja normalerweise gar nicht passieren kann, der irrt – und zwar gleich zweimal: denn einige Jahre später, anderer Laden – anderes Land, erlebte ich genau dasselbe noch einmal. Allerdings stand ich damals hinter dem Tresen und mein Kollege war gerade in der Mittagspause. Da stand grinsend ein mir bis dato unbekannter Kunde vor mir, kramte in einer Tüte und holte eine „Wumme“ heraus, hielt sie mir entgegen und meinte, weiterhin blöde grinsend, dass er sich die gerade im Waffenladen um die Ecke geholt hätte.
Ich möchte nicht weiter ins Detail gehen, was mir in diesem Moment alles durch den Kopf schoss, immerhin war es keine Kugel, das war schon mal beruhigend.

An dieser Stelle ein spezieller Gruß an all die speziellen Menschen in meinem Leben, ohne sie wüsste ich nicht, womit ich dieses Blog füllen sollte und was ich meinen zukünftigen Enkelkindern vor dem Schlafengehen erzählen werde.

Montag, 16. März 2015

Plötzlich Freizeit



Es gibt solche Tage, zugegeben sie sind selten, da wird man mit einem Übermaß an freier Zeit beglückt und zwar dann, wenn beide Kinder bereits nach der Schule eine Spielverabredung außer Hauses haben. Wow! Ein unerwarteter Tag für mich allein – von 8 Uhr morgens bis 18 Uhr abends – ganze zehn Stunden. Beschwingt schmiere ich die Pausenbrötchen und male mir die Fülle der Tätigkeiten aus, die jungfräulich vor mir liegen: ich könnte mal wieder mein Tagebuch rauskramen, einen längst fälligen Brief beantworten, vielleicht beginne ich ein neues Projekt, eine Häkeldecke bestehend aus 300 Quadraten. Hach, das Leben ist schön.

Kaum ist die Horde aus dem Haus, mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich und werfe den Computer an, lese die Neuigkeiten auf Social Media und nippe an meinem lauwarmen Kaffee (ich weiß nicht warum, aber mein Kaffee ist nie heiß, maximal lauwarm, wenn nicht sowieso eiskalt). 

Erst mal eine Runde Solitär spielen und dabei den vor mir liegenden tollen Tag planen. Die erste Runde geht völlig in die Hosen, so schlecht war ich noch nie, ein Punktestand mit einem Minus vorne dran… geht das überhaupt? Ich muss noch eine Runde zocken – Tagebuch schreiben, hmm… in mir ist so eine Schreibblockade, womit sollte ich die Seiten füllen. Ich kann ja bei einer dritten Runde Solitär darüber nachdenken.
Mein Punktestand ist jetzt etwas besser, aber noch nicht optimal, ich brauche noch einen weiteren Kaffee – auf dem Weg zur Küche fällt mein Blick auf die Uhr: 9:15. Der ganze Tag liegt noch vor mir, ich werde ihn optimal nutzen… das Schreiben lasse ich aber heute sein, hab ja nichts erlebt, und so lange liegt der Brief auch noch nicht unbeantwortet im Regal.

So mein liebes Solitär, eine Runde gebe ich uns noch, diesmal zeige ich Dir wo der Bartl den Most her holt! 

10:05 Uhr, das gibt’s ja wohl  nicht, wieso spiele ich  heute so schlecht? Ha! Das liegt an der zweiten Tasse Kaffee, die noch immer in der Küche steht und darauf wartet getrunken zu werden. Schnell hole ich mir das Kaltgetränk und spucke in die Hände: jetzt mache ich den Punkterekord des Monats aber danach mache ich es mir mit einem Haufen Wolle und Häkelnadel gemütlich und häkle ein Quadrat nach dem anderen.
Völlig desillusioniert ohne einen nennenswerten Punktestand erreicht zu haben, schließe ich mein Laptop um 11:26 Uhr und häkle mein erstes Quadrat .

11:45 Uhr – seufz, nur noch 299. Ich sollte die Decke etwas kleiner machen.
11:50 Uhr – mal gucken, ob ich eine Mail bekommen habe, ich warte zwar auf keine, aber das Leben steckt ja meist voller Überraschung.
Na was sage ich: da hat jemand für mich die optimale Lösung für mein Potenzproblem!
Eine 27jährige Irina aus Russland mochte gerne mich naher kenen lernen zu sollen und ein Mister Obwunga Bowonga aus Botswana kontaktiert mich, wegen einer Erbschaft. Hat sich doch gelohnt… ich werde nochmal gucken, ob meine Solitärfähigkeiten jetzt besser sind, bevor ich  diese netten, persönlich an mich gerichteten, Mails beantworte.

15:13 Uhr – ich habe einen Lauf, in jeder Runde steigere ich mein Ergebnis der Vorrunde …
16:02 – erneuter Tiefstand, die Karten wollen nicht ganz so, wie ich es möchte.
17:17 Uhr ich schrecke von der Tastatur hoch, meine Hand schmerzt und auf meinem Gesicht haben sich die Abdrücke des Keyboards verewigt. Oh Himmel, ich muss kochen.  

In 43 Minuten räume ich den Geschirrspüler aus, verstaue das saubere Geschirr in den Schränken, räume das schmutzige Geschirr ein, wirble mit dem Staubsauger durch die Wohnung und hole die Wäsche aus dem Trockner während das Nudelwasser kocht.

18:05 die Familie füllt die Räumlichkeit mit Leben.
„Na, Schatz, wie war dein freier Tag?“ fragt der weltbeste aller Ehemänner.  „Was heißt hier freier Tag? Ich bin zu nichts gekommen, Du glaubst auch, weil einmal die Kinder aus dem Haus sind, dass das ein Wellness Tag für mich ist, ich musste viele Dinge erledigen, die sonst meist liegen bleiben, Haushalt, kochen… freier Tag PAH!“