Schreibtherapie -wut
nun sind es bald drei jahre her, das du
gegangen bist
mach dir keine sorgen, ich habe deinen
platz eingenommen
wenn es mir gut geht, hinterfrage ich
das
geht es mir wirklich gut? wird es nicht
bald wieder anders sein?
sind menschen fröhlich um mich herum
dann vermiese ich ihnen den tag
irgendwas gibt es immer, das man
bemängeln kann
verletzende worte, das beherrsche ich
mittlerweile genauso wie du
wenn mich jemand liebt, halte ich ihn
für einen heuchler
wenn ich mir etwas kaufe, dann weiss
ich, dass ich es mir nicht vedient habe
lesen? nur mit schlechtem gewissen...
ich könnte ja was besseres tun
putzen? ja wann endlich?
kompimente sind sicher nur gelogen
ein blick in den spiegel – zeigt mir
dich
nicht mal mein ich, hast du mir
gelassen
das hast du mitgenommen in dein grab
keine sorge also
ich mache mich jetzt selbst fertig
nach allen regeln der kunst
die du aufgestellt hast
mein ganzes leben hast du beherrscht
am schlimmsten war's in meiner kindheit
nichts war gut genug... nicht für
mich, sondern was ich getan
gut war ich nur, wenn ich krank war
dann konntest du leiden, alle
aufmerksamkeit für dich
und immer öfter sag ich deine sätze
wie ich es hasse, es klebt an mir wie
heisses pech
dein erbe, das ich nie gewollt
geh weg, ich möchte endlich sein!
zerstörung war deine lieblingstat
das brechen von menschenseelen dein
liebstes geräusch
ob du es wolltest oder nicht
einerlei – du hast es getan
an niemandem ein gutes haar gelassen
danke für diese gabe, die hätte ich
nicht gebraucht
streiten, das konntest du am besten
und alles wusstest du besser
am schönsten war es, wenn du im
mittelpunkt stand'st
nichts war wichtiger als du
niemand musste mehr leiden als du
du tust mir heut noch leid
du lässt mich einfach nicht los
muss dich ja lieben... irgendwie
ist das liebe, oder unfreiwillige
obsession?
die besessenheit, dir immer noch
gefallen zu wollen
bleib wo du bist
ich hoffe, du bist dort glücklicher
als ich
rotiere nicht in deinem grab
ich mache alles so, wie du es gewollt
aber vielleicht – irgendwann – kann
ich dich abschütteln
für immer
dann werde ich frei und ich selbst sein
und werde lachen.... endlich!
Schreibtherapie – die versöhung
drei jahre sind es fast, dass du
gegangen bist
seit drei jahren möchte ich dich immer
wieder anrufen
will dir berichten, wie es uns geht
wie es mir geht
was ich geschafft habe
manchmal fehlst du mir
das gute in dir
will dir sagen, dass ich vieles so
mache wie du
aber auch vieles gottseidank anders als
du
was ich dir aber gar nicht sagen könnte
weil du es nicht verstehen kannst...
nicht verstehen magst
da wo du jetzt bist, ist es besser für
dich?
du warst so voller wut und ärger
voller ängste und kummer
ist das jetzt vorbei?
fast ist es mir, als hätte ich das
alles von dir übernommen
ist es das alter?
ich weiss es nicht, aber es macht mir
zu schaffen
möchte es abschütteln, weil es nicht
schön ist
oft ist mir, als müsse ich dein leben
weiterleben
mit all den erinnerungen, die gar nicht
meine sind
an den tod deines kindes, das ich noch
nicht einmal gekannt habe
die erinnerungen an einen krieg, den
ich nur vom fernsehen kenne
manchmal möchte ich glauben, dass du
mich doch geliebt hast
es fällt mir schwer, denn du warst so
auf dich selbst konzentriert
da blieb wenig platz für jemand
anderen
ich bin so klein
warum hast du mich so klein gemacht?
ich habe sehr lange geglaubt, nichts
wert zu sein
eigentlich ist das noch immer tief in
mir drin
so wie du mich gesehen hast, voller
fehler
so sehe ich mich heute auch
an klaren tagen, weiss ich, dass du
nicht anders konntest
deine vergangenheit hat dich zu dem
geformt was du warst
aber deine vergangenheit hat auch mich
geformt – und das war schmerzhaft
ich war und bin voll deiner fehler
und ich sollte voller fehler meiner
selbst sein
irgendwann werde ich es geschafft haben
und über deinen schatten springen
dann endlich werde ich dir ganz
vergeben können
mein verständnis hast du teilweise
schon jetzt
aber es tut noch immer weh
was du hinterlassen hast, ist ein
dornenbett, in das ich mich jeden tag neu legen muss
ich finde meinen frieden, das weiss ich
du hast deinen hoffentlich bereits
gefunden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen