Sonntag, 15. Februar 2015

Ausgekramt

*räusper*... na so was, Dich gibt's ja auch noch - liebes Zweitblog.
Und da ich heute mal ein wenig in alten Briefen und Worddateien gekramt habe, will ich hier einen alten Erguss posten - geschrieben zu einer Zeit, in der ich noch nicht wusste, dass ich "in eine noch kleinere Stadt" ziehen werde... und ganz ehrlich, soviel anders war's dann doch nicht



Bescheidenheit

Ich wohne in einer Stadt.
 
Die Menschen in dieser Stadt sind wie besessen, sie kaufen, kaum ist ihr Konto voll, die Läden leer. Alles muß größer, besser, bunter, mehr sein. Sie bauen Häuser, die so hoch sind, daß es sie einen eigenen Tag eingeführt haben, an dem man ganz bis oben mit den Aufzügen fahren darf und von oben runtersehen kann. Die meisten sehen aber nichts von dort oben, sie kaufen erst einmal ein Glas Sekt und wollen gesehen werden. 

Ich wohne in einer bekannten Stadt.
 
Viele Menschen kommen von weit her, um in dieser Stadt zu lernen, daß ein großer Dichter hier gelebt hat. Sie lernen auch, daß jedes Jahr noch mehr Menschen kommen, um auf eine der bekanntesten Messen zu gehen, um Dinge zu sehen, die sie sich nicht leisten können, da ihnen der Aufenthalt in dieser Stadt schon so viel gekostet hat. Der Bekanntheitsgrad dieser Stadt macht sie teuer, und die Leute trinken Kaffee der geschmacklich nicht in der Relation zu seinem Preis steht. Sie wohnen in Wohnungen, die anderswo in der weiten Welt viel weniger kosten würden. Ich wohne auch in einer viel zu teuren Wohnung und fühle mich gefangen von dieser Stadt. Nicht durch ihre Schönheit, sondern durch ihre Geltungssucht. Die Stadt ist auch berühmt für ihre prominenten Millionäre, ich bin kein Millionär.
 
Ich arbeite in einer Kleinstadt.
 
Diese Kleinstadt liegt ganz nah an der großen Stadt und ihr Ruf ist schlecht. Die Menschen aus der Stadt, in der ich wohne, mögen diese Kleinstadt nicht und auch nicht die Menschen, die darin wohnen. Ich sehe keinen Unterschied. Es sind Menschen. In der Kleinstadt wird auch gebaut, ebenfalls sehr hoch. Jedoch will niemand in diesen hohen Häusern arbeiten. Nun stehen in dieser kleinen Stadt, die sehr bewohnt ist, große unbewohnte Häuser, die aussehen als würden hier Gespenster hausen. In dieser kleinen Stadt gibt es viele Läden, doch die Menschen kaufen sie nicht leer, weil sie mit diesen Produkten nicht angeben können, da sie aus keiner großen bekannten Stadt stammen. Viele Menschen aus dieser kleinen Stadt fahren lieber in die große bekannte Stadt, weil sie dort alles bekommen können womit sie anderen Menschen, die ebenfalls in der kleinen Stadt leben beeindrucken können. Das macht die kleine Stadt noch kleiner und ihren Ruf noch schlechter. 

Ich möchte gerne in einer noch kleineren Stadt leben und an einem noch kleineren Ort arbeiten. An einem Ort, wo die Menschen andere Menschen achten und zu schätzen wissen, daß sie etwas kaufen können. Wo die Häuser bescheiden und klein sind, der Ausblick nicht so toll, aber noch zu sehen.

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